Das kulturelle Europa der Pauline Viardot
Kultur (F 2023)
Die Dokumentation zeigt, wie sehr die großen technischen Fortschritte des 19. Jahrhunderts, der Aufschwung des Eisenbahnwesens und die umwälzenden Entwicklungen in Kommunikation und Massenmedien, zur Herausbildung eines kulturellen Selbstverständnisses Europas beigetragen haben. Im Mittelpunkt stehen vier "Botschafter" der europäischen Kultur. Dazu zählt die Sängerin und Komponistin Pauline Viardot, die in ganz Europa auftrat sowie ihr Ehemann, der Kunsthistoriker Louis Viardot, der unter anderem den spanischen Schriftsteller Miguel de Cervantes übersetzte und den ersten europäischen Museumsführer verfasste. Der Film beschäftigt sich auch mit dem russischen Schriftsteller und Dramatiker Iwan Turgenjew, der maßgeblich an der Verbreitung der Werke Gustave Flauberts, Émile Zolas und Victor Hugos in Russland sowie der großen russischen Autoren in Frankreich beteiligt war. Als weiterer "Botschafter" europäischer Kultur wird der Komponist Georges Bizet dargestellt, dessen "Carmen" – heute die meistgespielte Oper der Welt – ihren durchschlagenden Erfolg Pauline Viardot und Johannes Brahms verdankt. In Paris, Baden-Baden und der Gemeinde Bougival unweit von Versailles veranstaltete das Ehepaar Viardot Salonabende, bei denen sich die bedeutendsten Künstler der Zeit austauschten, darunter Victor Hugo, Gustave Flaubert, George Sand, Frédéric Chopin, Franz Liszt, Eugène Delacroix und Charles Dickens. Die Kehrseite dieser außergewöhnlichen Epoche waren die politischen Umwälzungen, die durch die Industrielle Revolution und die Ausbeutung der Arbeiterklasse hervorgebracht wurden. Dieser Zeit des Umbruchs spürt der Film an den Schauplätzen des Geschehens nach. Die von den damaligen Botschaftern der Kunst und Ideen vermittelten Werte sind im derzeit krisengeschüttelten Europa aktueller denn je, da nationalistische Anführer erneut auf dem Vormarsch sind und ein identitärer Rückzug droht.