Leschs Kosmos
Wissenschaft (D 2022)
Müll. Morgens vor die Tür gestellt, mittags schon entsorgt, Hauptsache weg. Dabei bergen Mülltonnen wahre Schätze. Forschende fahnden mit Hightech danach. Sparen wir so knappe Ressourcen? Harald Lesch öffnet die "Blackbox Mülltonne". Er wirft einen völlig neuen Blick hinein, nicht angewidert vom Gestank, sondern fasziniert: Wir müssen nur lernen, die Schätze aus dem Müll zu heben. Seit der industriellen Revolution, seit also der Mensch in Massen Konsumgüter produziert, muss er sich auch Gedanken darüber machen, was am Ende mit all den Waren passiert. Seit vor etwa 150 Jahren die erste bezahlte Müllabfuhr erfunden wird, hat sich nämlich die Menge an Müll, die jeder Deutsche jährlich produziert, verzehnfacht. Und Müll ist nicht gleich Müll. Nicht umsonst teilen wir ja schon zu Hause alle brav unseren Zivilisationsabfall in verschiedene Stoffgruppen auf. Der Gedanke dahinter ist klar: effizientes Recycling. Aber wie gut funktioniert Recycling wirklich? Für Bio, Glas und Papier scheinen die Verfahren etabliert. Wie aber sieht die deutsche Recycling-Realität in Sachen Plastik, Styropor und Elektronik aus? Und wie weltweit? Wir stehen vor einem drohenden Ressourcen-Kollaps. Wir können es uns schlicht nicht leisten, auf effiziente Wiederverwertung zu verzichten. Die jüngste Geschichte zeigt, wie fatal es ist, von Rohstofflieferungen anderer Länder abhängig zu sein. Gibt es Wege, diesem Dilemma zu entkommen? Die Antwort lautet schlicht: ja. Und die Lösung liegt tief in unserem Müll begraben. Hier werden Ideen geboren, die das Recycling-Versprechen einlösen sollen. Plastik: Auch wenn alles Plastik der Welt eins zu eins recycelt würde – was es nicht wird – bliebe doch ein Problem: Unsere Weltbevölkerung wächst jährlich um 80 Millionen Menschen – eine Bevölkerungszahl also, die der der Bundesrepublik entspricht. Und jeder dieser neuen Erdenbürger konsumiert immer mehr Plastik, produziert mehr CO2. Bleibt uns am Ende also nur noch die Entscheidung zwischen Klimakollaps oder einem Leben wie in der Steinzeit? Weder noch. In einer gigantischen Versuchsanlage im Herzen der rauchenden Industrieschornsteine Leverkusens suchen Wissenschaftler gerade den petrochemischen "Stein der Weisen": Sie wollen nämlich der Atmosphäre das CO2 entziehen – um daraus neues Plastik zu machen. In den Niederlanden hingegen versucht man, ein Plastik herzustellen, das zu 100 Prozent nicht aus fossilen Brennstoffen stammt, sondern aus: Pflanzenabfall. Soll aussehen wie Plastik, sich anfühlen wie Plastik – und dabei sogar die physikalischen Eigenschaften von Plastik übertreffen. FDCA, so der Name des neuen Hoffnungsstoffs, soll zu 100 Prozent wiederverwertbar sein – bei 70 Prozent weniger Energie produziert und 70 Prozent weniger CO2. Ein wahr gewordener Traum? Polystyrol: besser bekannt unter Styropor. Bis heute hat sich kein echter Ersatz für dieses Wunder der Verpackungsindustrie durchsetzen können. Nicht Popcorn, nicht Pappmaschee, nicht Papier. Kein anderer Stoff schützt so effizient wertvolles Transportgut, kein anderer isoliert das Zuhause so preiseffizient. Über 100.000 Tonnen Styropor fallen deshalb alleine in Deutschland jährlich als Abfall an. Und die bittere Wahrheit dahinter: Nur ein Drittel davon wird recycelt. Die anderen zwei Drittel landen in Hochöfen oder auf der Deponie. Und dort verrotten sie nicht. Als aber einem US-Amerikaner beim Holzhacken auffällt, dass sein Brennholz durch einen Pilz seltsam verklebt ist, kommt ihm eine Idee: Warum nicht einfach aus pflanzlichem Abfall und dem Pilz einen neuen Stoff erschaffen? Das Ergebnis: ein völlig anderes Styropor. Eines, das alle Vorteile des klassischen Styropors birgt – sich am Ende aber schlicht und einfach im Garten kompostieren lässt. Smartphone und Co.: Elektronik ist aus unserem modernen Alltag nicht mehr wegzudenken. Und gerade Smartphones haben unser aller Leben in den letzten 15 Jahren sprichwörtlich vernetzt. Die ganze Welt in der Hosentasche tragen, weshalb es heute auch nicht weniger als fünf Milliarden Menschen mit sich herum schleppen – und das im Schnitt gerade mal 2,4 Jahre lang. Dann nämlich muss ein neues Modell her. Und für jedes einzelne dieser kleinen technischen Wunder werden rund 50 verschiedene Rohstoffe gefördert und um die Welt transportiert. Viele Smartphones machen so im Laufe ihres Lebens quasi zweimal eine Reise um die Welt. Ein erstes Mal als Rohstoffpuzzle aus aller Welt. Ein zweites Mal, um illegal auf einer der großen Mülldeponien unseres Globus zu enden. Ein absurder ständiger Strom aus Rohstoffen und Elektroschrott, der sich selbst erhält. Die weltweiten Ressourcen werden dabei nicht nur immer knapper – sie stürzen unsere Gesellschaft auch mehr und mehr in Abhängigkeiten zu den Lieferländern. Würde man aber einen Turm – zehn mal zehn Meter in der Basis – aus allen kaputten Smartphones der Welt errichten, wäre dieser 15 Kilometer hoch – vollgestopft mit wertvollsten Ressourcen, die es einem ermöglichen könnten, daraus neue Smartphones zu bauen. Warum also nicht einfach aus Alt Neu machen? Aber elektronischen Geräten die wertvollen Stoffe zu entziehen, um daraus neue Geräte zu bauen, scheint bislang kaum möglich. Vor allem die Stoffgruppe der sogenannten Seltenen Erden machen den Recyclern das Leben schwer und verhindern die effiziente Wiederverwertung. Doch es naht Hilfe von unerwarteter Seite – in Form von Viren. Viren, die Bakterien befallen, sogenannte Bakteriophagen, helfen den Wissenschaftlern, an die Kostbarkeiten im Handy zu gelangen. Harald Lesch begibt sich auf eine spannende Schatzsuche im Müll. Was brauchen wir noch, um das Recycling-Versprechen endlich einzulösen?
- Der Schatz in der Mülltonne – Das Recycling-Versprechen.